Insgesamt zeigt sich, dass verstärkte Massnahmen (VM) ein wichtiges Mittel sind, dass Schulen das bildungspolitische Ziel der Integration unterstützen und für verhaltensauffällige SuS integrative Lösungen realisieren. VM alleine gewährleisten jedoch nicht, dass integrative Lösungen zustande kommen und über Dauer tragfähig bleiben.
Als moderierende Variablen sind Kooperation, Klima und Innovationspotential im Schulteam zentral. Schulen mit hoher VM-Quote unterscheiden sich von Schulen mit geringer VM-Quote in Bezug auf alle drei Faktoren signifikant. Das Gelingen von Kooperation im Team hängt damit zusammen, wie stark sich ein Team belastet fühlt, wie zufrieden es ist mit der Arbeit und welches Klima herrscht. Sind Kooperation und Klima schlecht, werden Belastungen, Arbeitsunzufriedenheit und Konflikte externalisiert. An Stelle einer Anpassung an eine veränderte, heterogenere Schülerschaft, werden z.B. Eltern beschuldigt, bei der Erziehung ihrer Kinder versagt zu haben. Eine solche externalisierende Spannungsbewältigung zeigt sich auch daran, dass Lern- und Schulschwierigkeiten als Merkmale von Kindern definiert werden, was verhaltensauffällige SuS auf die Dauer stigmatisiert, isoliert und exkludiert. Ein gut kooperierendes und innovatives Team hingegen wirkt als Filter, der Spannungen, die im Umgang mit verhaltensauffälligen SuS immer entstehen, auffängt, reflexiv bearbeitet und pädagogisch löst.
Die integrative Organisation der heilpädagogischen Förderung im Rahmen der Regelklasse garantiert nicht, dass eine Schule in Bezug auf verhaltensauffällige SuS tragfähiger wird. Entscheidend ist zum einen, ob die Arbeitsteilung im multiprofessionellen Team situativ und nicht entlang der spezifischen Funktionen von SHP, SSA, KLP und SL organisiert ist. Ein polyvalentes Rollenverständnis ermöglicht es Akteuren, flexibel auf die Erfordernisse herausfordernder Situationen zu reagieren. Zum andern ist ein integrativer Denkstil des Teams wichtig, um die Tragfähigkeit der Schule zu verstärken.
Die lokale Existenz von Sonderklassen wirkt als Anreiz, verhaltensauffällige SuS abzustufen. Abstufungen entlasten die ganze Schule von Unterrichtsstörungen, die nun konzentriert in den Spezialklassen auftauchen, wo sie mittels SSA und SHP bearbeitet werden müssen. Am schulpsychologischen Zuweisungsverfahren manifestieren sich häufig Legitimationsprobleme, weil sich die Eltern nachhaltig gegen Abstufung und Exklusion zur Wehr setzen.
Fazit: Für die Integration von verhaltensauffälligen SuS sind VM eine wichtige aber nicht hinreichende Voraussetzung. Heil- und sozialpädagogische Ressourcen werden dort wirkungs-voll eingesetzt, wo Klima und Kooperation im Team gut sind und eine Offenheit gegenüber kollektiven Lernprozessen herrscht. Unter diesen sozialen Bedingungen gelingt eine Optimierung der selbstreflexiven Kapazitäten (Teamcoaching und Fallbesprechung als professionelle Formen). Dafür sind Zeitgefässe notwendig, in denen das Team thematisiert, was mit ihm passiert in der Auseinandersetzung mit schwierigen SuS, welche Affekte dabei entstehen und welche Handlungsimpulse sich melden. Gelingt es einem Team, diese oft schwierigen Gefühle und Phantasien auf einer sprachlichen Ebene zu bearbeiten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es vermehrt zu adäquaten Reaktionen auf SuS mit Verhaltensauffälligkeiten kommt, was in Bezug auf Stigmatisierung, Delegation und Exklusion präventiv wirkt.
1 VM entsprechen im Kanton Zürich der ISR (Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule).