Teilhabe in der Kindertagesstätte: Inklusion aus Sicht der Fachpersonen Kinderbetreuung

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Die Förderung von Gleichberechtigung und sozialer Inklusion in der frühen Kindheit baut auf der Bereitschaft von Fachpersonen Betreuung auf, die Teilhabe und Inklusion von Kindern mit Behinderung oder Entwicklungsverzögerung in ihrem täglichen Handeln im Kitaalltag umzusetzen. Das Projekt zeigt, dass Fachpersonen bereit sind, Inklusion voranzutreiben. Aber es gibt Hindernisse, zum Beispiel ungünstige Rahmenbedingungen und unzureichende Qualifizierung. Ein neu entwickeltes Weiterbildungsangebot soll Fachpersonen und Kindertagesstätten auf ihrem Weg zur Inklusion unterstützen.

Projektleitung

Matthias Lütolf Titel MA

Funktion

Senior Lecturer

Simone Schaub Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Researcher

Fakten

  • Dauer
    09.2022
    09.2024
  • Projektnummer
    3_34

Ausganslage und Fragestellungen

Mit der Ratifizierung der UNO-Konventionen zu Kinderrechten im Jahr 1997 und zu Behindertenrechten im Jahr 2014 hat sich die Schweiz verpflichtet, allen Kindern gleichberechtigten Zugang zur Bildung und zur sozialen Inklusion zu ermöglichen. Aktuell ist die Inklusion von Kindern mit Behinderung in Angebote der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) allerdings noch ungenügend umgesetzt, wie eine umfassende Studie von Procap Schweiz zeigt (Fischer, Häfliger, & Pestalozzi, 2021).

Die Studie «Gelingensbedingungen und institutionelle Voraussetzungen» (Lütolf & Schaub, 2021) zeigt, dass die Inklusion von Kindern mit Behinderung in die Kita gelingen kann. Die inklusive FBBE ist aber auch mit grossen Herausforderungen verbunden, welche nur in einem Netz von unterstützenden Systemen gelingen kann. Als besonders bedeutsam für die Umsetzung der Inklusion erweist sich die Sichtweise der Fachpersonen Betreuung: Eine positive Sicht auf die Inklusion bildet die Basis für die Bereitschaft, Kinder mit Behinderung zu betreuen, sowie einfühlsam und zuneigungsvoll zu begegnen. Basierend auf diesen Befunden wurden im Projekt folgende Fragestellungen untersucht: Mit welchen Ansichten zur inklusiven FBBE steigen Fachpersonen Betreuung am Ende ihrer Berufsausbildung in das Berufsleben ein und wie prägen Erfahrung und Wissen die Ansichten? Welche Kompetenzen befähigen Fachpersonen zur inklusiven FBBE und welche Kompetenzbedürfnisse haben Fachpersonen Betreuung zu deren Umsetzung? Die Beantwortung dieser Fragen wurde als Ausgangslage zur Konzipierung und Implementierung eines Weiterbildungsangebotes zur Inklusion in der FBBE genutzt, welches sich am Bedarf der Anspruchsgruppen und den Bedürfnissen der Zielgruppe orientiert.

Methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden zwei Methoden eingesetzt. Erstens wurde eine quantitative Onlinebefragung mit 931 Lernenden der Berufsfachschule Winterthur (BFS) durchgeführt. Diese Lernenden standen kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Fachperson Betreuung EFZ Schwerpunkt Kinder. Zweitens wurden Interviews mit einem Fachgremium geführt, bestehend aus Vertreter:innen der Frühen Bildung und der Heilpädagogik, berufspolitischer Institutionen und Fachpersonen aus verschiedenen Berufsgruppen, welche die inklusive Vorschulpädagogik mitprägen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmenden eine positive Einstellung zur Inklusion haben. Sie sind der Meinung, dass auch Kinder mit Behinderung eine Kita besuchen sollen. Die Inklusion wird als hilfreich für die Eltern, als sozial vorteilhaft und als förderlich für die Akzeptanz der individuellen Unterschiede aller Kinder angesehen. Kritisch wird die zusätzliche Zeit und Aufmerksamkeit gesehen, die Kinder mit Behinderung benötigen, sowie die Frage, ob sie in einer Regeleinrichtung ausreichend gefördert werden. Kita-interne Weiterbildungen und Coachings sowie Online-Informationen sind die bevorzugten Formen der Wissenserweiterung. Zentrale inhaltliche Themen sind das Wissen um die Gestaltung inklusiver Spiel- und Lernsituationen und die Förderung von Entwicklung, Kommunikation und Freundschaften mit Gleichaltrigen.

Fazit für die Praxis

Fachpersonen Betreuung Kinder im dritten Lehrjahr ihrer EFZ-Ausbildung zeigen eine hohe Bereitschaft, Inklusion anzunehmen und voranzutreiben. Sie erkennen die Vorteile für Kinder und Eltern und die Akzeptanz individueller Unterschiede, weisen aber auch auf ungünstige Rahmenbedingungen und fehlende Qualifizierung hin. Gemeinsam mit Expert:innen verschiedener Anspruchsgruppen wurde basierend auf diesen Ergebnissen ein Weiterbildungsangebot entwickelt, welches die Fachpersonen und die Institutionen auf ihrem Weg zur inklusiven Kindertagesstätte unterstützen soll. Langfristig soll damit die Qualität der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern mit Behinderung verbessert, das gesamte Personal in Kindertageseinrichtungen sensibilisiert und befähigt und damit ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit geleistet werden.

Literatur

  • Fischer, A., Häfliger, M., & Pestalozzi, A. (2021). Familienergänzende Betreuung für Kinder mit Behinderungen. Eine Analyse der Nachfrage, des Angebots und der Finanzierungsmechanismen – für Kinder mit Behinderungen im Vorschulalter in der Schweiz (2. überarbeitete Aufl.). Olten: Procap Schweiz Bereich Sozialpolitik. Herunterladen
  • Lütolf, M., & Schaub, S. (2021). Teilhabe in der Kindertagesstätte (TiKi). Schlussbericht. Zürich: Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik. Zum Schlussbericht

Publikationen

  • Schaub, S., & Lütolf, M.
    Pre-service Early Childhood Education and Care (ECEC) professionals’ perception of inclusion
    [Konferenzvortrag].
    EARLI SIG15 Conference,
    Valencia, Spain.
  • Lütolf, M., & Schaub, S.
    Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigungen in Kindertageseinrichtungen.
    13. nationale Konferenz zur non-formalen Bildung im Kindesalter. Inklusion in der non-formalen Bildung – Herausforderungen und Möglichkeiten,
    Luxemburg.