Teilhabe als roter Faden der Abschiedsveranstaltung

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Mit einer fachlichen und persönlichen Bilanz verabschiedeten sich Ende November zwei Koryphäen der HfH in den Ruhestand: Prof. Dr. Anke Sodogé und Prof. Dr. Andrea Lanfranchi. 

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Prof Dr. Barbara Fäh begrüsste die zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland und gab einen Überblick zum Schaffen und Wirken der beiden Institutsleitenden und Hochschulleitungsmitglieder Prof. Dr. Anke Sodogé und Prof. Dr. Andrea Lanfranchi. Sie verlassen die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH), um den Ruhestand zu geniessen.

Als Fachpersonen und Institutsleitende der HfH haben Anke Sodogé und Andrea Lanfranchi seit vielen Jahren das Berufsfeld und die Hochschule entscheidend mitgeprägt:

Anke Sodogé trat 2006 als Dozentin ihre erste Stelle an der HfH an, nach Stationen in verschiedenen Bereichen der Hochschule übernahm sie 2017 das Institut für Sprache und Kommunikation unter erschwerten Bedingungen. Neben einer regen Forschungstätigkeit hat Anke Sodogé massgeblich dazu beigetragen, den Master Logopädie, welcher 2022 gestartet ist, zu entwickeln. Sprache ist Anke Sodogés Lebensthema, insbesondere fasziniert sie der Spracherwerb bei Kindern. Wenn der Motor ins Stocken kommt – bei erschwertem Spracherwerb oder Deutsch als Zweitsprache – sind Kognition, Input und Antrieb wichtige Bedingungen für die Weiterentwicklung, sagt sie. Aber wie kann eine Fachperson Kinder ermutigen, damit sie Lust haben, Sprache zu verwenden? Wie in Situationen bringen, in denen Kinder zu sprechen beginnen? Die wichtigste Erkenntnis ist laut Anke Sodogé: Ein Kind WILL sprechen, wenn es sich für ein Thema interessiert und Sprache zum Erreichen seiner Ziele einsetzen kann.

Andrea Lanfranchi setzte sich bereits als Realschullehrer in Graubünden für Chancengerechtigkeit und Multikulturalität ein. Als Schulpsychologe und Psychotherapeut nahm Lanfranchi jeweils das Individuum im Kontext der Systeme Schule, Familie und Gesellschaft in den Blick. 2002 begann er an der HfH als Dozent für Pädagogik bei Schulschwierigkeiten. Ab 2014 führte er das Zentrum Forschung und Entwicklung und wurde 2017 zum Leiter des Institutes für Systementwicklung und Professionalisierung ernannt. Er konzipierte und leitete unter anderem die longitudinale Studie ZEPPELIN, gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds und Stiftungen. Andrea Lanfranchi beschäftigten immer wieder die Themen Migration, Bildung und Chancengerechtigkeit. 

Podiumsdiskussion. Unter Leitung der Wissenschaftskommunikation mit Dr. Steff Aellig und Dr. Dominik Gyseler wurden die jeweiligen Lebensthemen unter die Lupe genommen, um eine persönliche und fachliche Bilanz zu ziehen:

Auf dem Podium gab Anke Sodogé Auskunft zum Thema Spracherwerb und Sprachförderung in der Zweitsprache Deutsch: Kinder sollen merken, dass Sprache eine Funktion hat, dass sie mit Sprache etwas erreichen können. Das aktuelle Forschungsprojekt SPRINT beschäftigt sich mit kommunikativer Partizipation in Zusammenarbeit mit der Schule Opfikon. Im Rahmen der Förderung wird Sprachhandlung in bedeutungsvollen Situationen erprobt. Gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund sind innovative Ansätze gefragt, denn Schule bedeutet heute, dass sehr viele Kinder mehrsprachig sind. Kindern sollte es möglich sein, auch ihre Sprache in der Schule zu sprechen. Ihren Berufskolleg:innen gab Anke Sodogé mit auf den Weg: Offen sein für Neues, Kindern wie ein Detektiv auf ihren Wegen folgen, um zu erkennen, wie der Unterricht anders und besser gemacht werden kann. Aufgabe der Hochschule ist es in dieser Hinsicht, aufzuzeigen, was in Zukunft möglich sein könnte und diese Visionen zu gestalten.

Anke Sodogé auf dem Podium: «Schule ist mehrsprachig.»

An Andrea Lanfranchi richtete sich die Frage auf dem Podium, welches der zentrale Befund aus der bekannten ZEPPELIN-Studie ist und was die Forschungsergebnisse für das Thema Chancengerechtigkeit in der Bildung bedeuten? Lanfranchi ist der Meinung, dass sich Schule sehr verbessert hat in den letzten Jahrzehnten. Der Schulbesuch bringt Chancengerechtigkeit. Die Unterschiede aufgrund der sozialen Herkunft werden geringer. Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Schweizer Schulen besser sind als ihr Ruf. Dennoch ist noch Luft nach oben, und es braucht Investitionen, um mehr Chancengerechtigkeit zu erreichen. 250 Familien haben sich am Forschungsprojekt ZEPPELIN beteiligt. Diese Kinder sind jetzt in der vierten Klasse. Die positive Wirkung der Förderung in den ersten drei Jahren mit nur zwei Hausbesuchen pro Monat ist deutlich: Die Kinder schneiden bei den Kriterien Impulskontrolle, Lesen, Mathematik und Verhalten besser ab als die Kontrollgruppe. Zudem gelingt der Know-how-Transfer in die Praxis über die Beratungs- und Elternbildungsstelle «zeppelin – familien startklar» besonders gut. Die longitudinale Studie wird an der HfH weitergeführt.

Andrea Lanfranchi: «Stark machen für die, die im Sous parterre sind.»

Teilhabe erreichen. Zum Schluss diskutierten die Podiumsteilnehmer:innen, das Verhältnis von kommunikativer Partizipation und Teilhabe. Wie kann man Situationen so gestalten, dass alle teilnehmen können? Eine abwehrende Haltung bewirkt einen gegenteiligen Effekt; die Vorstellung, dass eine andere Kultur eine Bereicherung sein kann, trägt dazu bei, dass sich Menschen angenommen und aufgehoben fühlen. Für viele Personen ist es dennoch schwierig, an der Gesellschaft teilzunehmen. Schweizer:innen haben zu 94% mit 25 Jahren einen Abschluss in der Tasche, bei Migrant:innen, die in der Schweiz geboren sind, beträgt die Quote 86% und bei im Ausland geborenen Personen nur noch 73%. Wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe: Sprechen, Hören und Lesen beherrschen.

Das Podiumsgespräch vom 23. November 2022 moderierten Dr. Steff Aellig und Dr. Dominik Gyseler. Zum Abschluss wurde noch ein Video mit Grussbotschaften der Arbeitskolleg:innen gezeigt, bevor die rund 170 Gäste zu einem Apéro Riche von «Menu de ma vie» sowie zum Tanz zu Musik der Band Monkee Palace eingeladen waren.

Autorin: Sabine Hüttche, MSc., Leiterin Hochschulkommunikation