Brückenbauer zwischen Hochschule und Praxis: Prof. Dr. Peter Lienhard
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Er war 23 Jahre schwergewichtig im Dienstleistungsbereich der HfH tätig, nun geht Prof. Dr. Peter Lienhard-Tuggener in den Ruhestand. Ein Rückblick anlässlich der Abschiedsveranstaltung an der HfH.
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Die Rektorin der HfH Prof Dr. Barbara Fäh begrüsste die zahlreichen Gäste und gab einen Überblick zum Schaffen und Wirken von Prof. Dr. Peter Lienhard an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HfH).
Vor seinem Eintritt an der Hochschule war Peter Lienhard als Primar- und Sonderklassenlehrer tätig, förderte Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen sowie schweren Mehrfachbehinderungen und arbeitete als Schulpsychologe. Studiert und promoviert hatte Peter Lienhard Psychologie und Sonderpädagogik an der Uni Zürich. Im Jahr 2000 kam er an das Heilpädagogische Seminar Zürich, welches ein Jahr später zur HfH wurde. Unter anderem als Bereichsleiter Dienstleistungen hat Peter Lienhard seine Tätigkeit ganz in den Dienst der Schulen und Bildungsverwaltungen in den Trägerkantonen der HfH gestellt. Den gesamten Wissenszyklus bestehend aus Forschung, Ausbildung, Weiterbildung und Dienstleistungen sowie viele interne Projekte prägte er entscheidend mit. In der Lehre beschäftigen ihn unter anderem ethische Fragen der Sonderpädagogik und in der Forschung arbeitete Peter Lienhard insbesondere bei Forschungsprojekten betreffend Hör- beziehungsweise Sehbeeinträchtigung mit.
Die Würdigung übernahm Dr. Steff Aellig, HfH-Wissenschaftskommunikation: Vor rund 20 Jahren stand die Bildungspolitik vor einem Aufbruch. 2004 hatte das Volk dem neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen zugestimmt, im Rahmen des Interkantonalen Konkordates übernahmen ab 2005 die Kantone die Bildungsverantwortung für alle Schüler:innen – auch für diejenigen mit einer Behinderung – und definierten nun die Kriterien und Verfahren. In allen Kantonen brauchte es neue Rahmenbedingungen und die integrativen Schulungsformen verstärkten die Frage nach der «Schwellensetzung».
In dieser Phase festigte sich der Ruf von Peter Lienhard als Experte. Er unterstützte Kantone, Regel- und Sonderschulen bei der Entwicklung von sonderpädagogischen Konzepten und erarbeitete gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Hochschulen Instrumente, die eine beachtliche Verbreitung fanden – namentlich das «Schulische Standortgespräch» und das «Standardisierte Abklärungsverfahren».
Lienhard spricht nicht gerne von «Kund:innen», wenn es um Dienstleistungen geht. Vielmehr hätten sich oftmals jahrelange «Arbeitsbündnisse» mit einem grossen gegenseitigen Vertrauen entwickelt. So konnten beispielsweise externe Evaluationen von Sonderschulen durch den Einbezug von kantonalen Fachpersonen wesentlich massgeschneiderter und nachhaltiger gestaltet werden.
Am Beispiel einer integrierten Sonderschülerin auf der Sekundarstufe, welche eine starke kognitive Beeinträchtigung aufweist, rief er dazu auf, Bildung neu und anders zu denken: Wie können die Stärken der Schülerin genutzt und weiterentwickelt werden? Bei welchen Aufgaben kann sie sich als selbstwirksam erleben? Die erwähnte Sekundarschule öffnete ihr die Möglichkeit, regelmässig im Kindergarten, im Schulsekretariat, in der Hortküche und im Betriebsunterhalt tätig zu sein, wobei diese Tätigkeiten als Grundlage genutzt wurden, um ihre Kompetenzen im sprachlichen und mathematischen Bereich systematisch weiterzuentwickeln. Solche Beispiele machen Mut: Inklusion kann tatsächlich gelingen!
Peter Lienhard: «Alle Schüler:innen sollen möglichst den gleichen Lernstand erreichen – ein Mythos, der wie Blei auf den Regelschulen lastet.»
Apéro an der HfH.
Abschiedsveranstaltung für Peter Lienhard.
«Peter hat einen grossen Rucksack voll mit Erfahrungen», sagte Prof. Dr. Barbara Fäh, Rektorin der HfH.
Die Würdigung übernahm Dr. Steff Aellig.
Lienhards Botschaft an Nachfolger:innen im Bereich Dienstleistungen: «Vermeidet die Zusage zu Fachinputs, die thematisch völlig isoliert dastehen – zum Beispiel ‹flammende Inklusionsreferate›, welche die Haltung des Schulteams wundersam umkrempeln sollen. Solche Strohfeuer bringen nichts. Im Rahmen einer sorgfältigen Auftragsklärung muss geklärt werden, was der Schule wirklich dient als nächster Entwicklungsschritt.»
Der Bildungspolitik gibt er drei Botschaften mit auf den Weg:
- «Der Kindergarten muss wirksam gestärkt werden. Wenn mit einem Schlag eine Gruppe ungenügend sozialisierte Kinder in den Kindergarten ‹gespült› werden, muss diese Situation zunächst beruhigt und stabilisiert werden. Erst dann ist erkennbar, welche Kinder einen tatsächlichen sonderpädagogischen Förderbedarf aufweisen. So lassen sich etliche ‹Sonderkarrieren› vermeiden. Die Modelle der Grund- und Basisstufe haben gezeigt, mit welchen personellen Strukturen eine solche Stabilisierung erfolgreich erreicht werden kann.»
- «Davon zu sprechen, dass die Inklusion gescheitert sei, mutet etwas seltsam an: Allein im Kanton Zürich bestehen aktuell über 70 Sonderschulen. Wir haben entsprechend noch einen weiten Weg vor uns. Es gilt jedoch, diejenigen Schulen, die bezüglich Inklusion engagiert und erfolgreich unterwegs sind, stärker sichtbar zu machen.»
- «Die Wiedereinführung von separativen Förderklassen wird derzeit intensiv diskutiert. Wir sollten keine dogmatische Integrations-Separations-Diskussion führen. Wesentlich ist, dass nur separative Angebote installiert werden, die durchlässig und teilhabeorientiert sind. ‹Einmal hineingeraten, für immer dort gefangen› müsse der Vergangenheit angehören.»
Die Veranstaltung fand am 17. Januar 2023 an der HfH statt mit vielen Gästen vor Ort und als Online-Teilnehmende. Im Foyer der HfH wurde anschliessend zu einem Apéro eingeladen.
Personen, welche sich für die PowerPoint-Präsentation von Prof. Dr. Peter Lienhard interessieren, erhalten diese gerne per Mail. Bitte schreiben Sie eine E-Mail an sabine.huettche [at] hfh.ch.
Autorin: Sabine Hüttche, MA, Leiterin Hochschulkommunikation