Bewegte Begegnungen zum fünfzigjährigen Jubiläum der Psychomotoriktherapie

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Der stimmungsvolle Tag für ehemalige und aktuelle Studierende, Dozierende und Lehrbeauftragte der Psychomotoriktherapie war ein Highlight des Jubiläumsjahres 2022.

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Anja Solenthaler Titel MA

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Advanced Lecturer

Am letzten Samstag im Oktober 2022 fand ein ganz besonderes Ereignis statt: Rund 60 ehemalige und aktuelle Studierende, Dozierende und Lehrbeauftragte sowie weitere geladene Gäste feierten gemeinsam in den Räumlichkeiten der HfH fünf Jahrzehnte Psychomotorikausbildung in der Deutschschweiz.

Begrüsst wurden die Anwesenden von Prof. Dr. Dennis Hövel, Leiter des Instituts für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung. Er überbrachte auch das Grusswort von Prof. Dr. Barbara Fäh, Rektorin der HfH: «Die HfH ist stolz, dieses Jubiläum feiern zu dürfen. 1972 startete die Ausbildung am Heilpädagogischen Seminar (HPS) – und hat sich seitdem stetig weiterentwickelt. Das ist der Verdienst vieler Menschen, unter anderem der ehemaligen und aktuellen Studiengangleitenden und Lehrenden. Und heute stehen wir am Anfang einer neuen Ära. Ich freue mich, dass Sie alle hier sind und mit uns dieses Jubiläum begehen. Lassen Sie uns auch die Zukunft gemeinsam gestalten.»

Das zweite Grusswort stammte von Dora Heimberg. Sie war von 1975 bis 1990 am Heilpädagogischen Seminar angestellt und hat als Leiterin der berufspraktischen Ausbildung Konzepte entworfen und deren Umsetzung begleitet: «Was mit Reifen, Klötzen und vielen Überzeugungsgesprächen im Kinderspital Zürich und am damaligen Heilpädagogischen Seminar begann, hat sich zu einem etablierten Beruf entwickelt, der nicht mehr wegzudenken ist. Die Psychomotoriktherapie muss, darf und soll sich ständig verändern und auf die Zeichen der Zeit reagieren. Ich wünsche weiterhin BeGEISTerung für die BeWEGung.»

Ballonanimation. Mit bunten Ballonen in den Händen und strahlenden Gesichtern lauschten die Gäste anschliessend gespannt den Ausführungen von Anja Solenthaler, die das Konzept für den Begegnungstag entworfen hatte und fliessend zum nächsten Programmpunkt überleitete: «Bewegte Begegnung». Die Ballone in fünf Farben standen jeweils für ein bestimmtes Jahrzehnt, in dem man die Ausbildung oder Lehrtätigkeit abgeschlossen oder aufgenommen hat. Eine sechste Farbe war reserviert für externe Gäste. Und dann ging es los: Aktuelle und ehemalige Psychomotorikstudierende sowie Dozierende und weitere Gäste tanzten quer durch den Raum. «Acht Schritte vor, vier Schritte zurück, dann drehen und Partner:innen wechseln.» – Die Anleitung wurde nach einer einmaligen Erklärung gekonnt und voller Elan umgesetzt. Jemand kommentierte zutreffend: «Man sieht sofort, dass es sich um PMTs handelt.» Die Freude an Bewegung ist allen Psychomotoriktherapeut:innen ein gemeinsamer Nenner.

Begegnungszone. Nach der Ballonanimation hatten die Gäste Gelegenheit für eine Verschnaufpause sowie Gespräche in der Begegnungszone. Die Teilnehmenden verteilten sich in den Räumen auf dem zweiten Stock. Dort liefen in einem Loop drei Filme: Die Besucher:innen konnten wie in einer Zeitmaschine in Szenen von «Tanz bewegt Visionen«, «Vom Purzelbaum zum Selbstkonzept» (Video auf YouTube) und «Tanzwerk Mensch» eintauchen. Im nachfolgenden Video sehen Sie Impressionen der diversen Programmpunkte am Begegnungstag, eingefangen vom Fotograf Carlos Crespo.

Impressionen vom Begegnungstag PMT am 29. Oktober 2022

Gesprächsimpulse. Auf buntes Papier gedruckte Fragen schwebten über den Köpfen der Geladenen – und warteten darauf beantwortet zu werden. «Worauf freust du dich?», «Deine schönste Begegnung heute war…?», «Was hat dich heute überrascht?», «Welche Erkenntnis aus deiner Ausbildung begleitet dich bis heute?» – Sie dienten zu Beginn als Eisbrecher, einige davon wurden in der Gesprächsrunde aufgegriffen und von den Gästen auf der Bühne beantwortet. Die Gesprächsrunde mit ehemaligen PMT-Studierenden aus drei verschiedenen Jahrzehnten ergab ein erfrischendes Zurückblicken auf die Studienzeit an der HfH. Das Interview fand in der Aula statt und wurde von Myrtha Häusler, Co-Leiterin Bachelor Psychomotoriktherapie, moderiert. Anhand eines Gegenstands stellten sich die Gäste vor:

  • Olivia Gasser-Haas war ehemalige Co-Leiterin des Bachelorstudiengangs Psychomotoriktherapie und massgeblich an der Entwicklung des konsekutiven Masters Psychomotoriktherapie beteiligt. Ab 2023 übernimmt sie dessen Leitung. Die Spielzeugbauklötze, die sie mitgenommen hatte, stehen sinnbildlich für diese Entwicklungsphase. Olivia Gasser-Haas hat ihr PMT-Studium an der HfH im Jahr 2011 abgeschlossen.
  • Pascal Greter hat sein Studium in Psychomotoriktherapie im Sommer 2022 abgeschlossen und arbeitet an der Primarschule Bonstetten als Psychomotoriktherapeut. Hier durfte er bereits sein begleitetes Praktikum absolvieren und ist dankbar für den unkomplizierten Übergang vom Studium in die Praxis. Den Schwebevogel bringt er in Verbindung mit Freiheit sowie der selbstständigen Entwicklung nach dem Studium in seinem Traumberuf. Zudem gefällt ihm der Vogel als vielseitig einsetzbarer Gegenstand in den Therapiesitzungen mit den Kindern.
  • Judith Sägesser Wyss stellte Maxi vor, den Protagonisten im neu entwickelten Lehrmittel. Maxi ist ein Kind, welches sinnbildlich für Forschung, Weiterentwicklung und Inklusion steht. Die Forscherin und Dozentin an der PH Bern ist zudem Präsidentin des Berufsverbands Psychomotorik Schweiz. Ihre Ausbildung am Heilpädagogischen Seminar (HPS) in Zürich – heute HfH – hat sie vor über 30 Jahren abgeschlossen.
  • Marianne Karrer war in der gleichen Abschlussklasse wie Judith Sägesser und ist bereits seit 31 Jahren als Psychomotoriktherapeutin in der Stadt Zürich tätig. Der Apfel, den sie in den Händen hielt, stand nicht nur für die kurz bevorstehende Pensionierung («Die Ernte, die ich einfahren darf»), sondern auch für den, ihrer Meinung nach, tollsten Beruf: vielseitig, erfrischend und farbig.

Anhand der Fragen «Wie hast du deine Liebe zur Psychomotoriktherapie entdeckt?», «Welche Themen waren in der Ausbildung allgegenwärtig?», «Welche Erkenntnisse konntet ihr mitnehmen?» und «Welche Begegnung hat dich heute besonders überrascht?» erhielt das Publikum persönliche Einblicke in die Motivationen, Erfahrungen und Erinnerungen aus der Ausbildung sowie die Berufswege der ehemaligen Student:innen der PMT.

Podiumsgespräch mit Myrtha Häusler, Olivia Gasser-Haas, Pascal Greter, Judith Sägesser Wyss und Marianne Karrer (von rechts nach links).

Ursprünglich wollten alle vier Interviewten Lehrerin beziehungsweise Kindergartenlehrperson werden. Ein pädagogischer Hintergrund war früher eine Voraussetzung zum Studium der Psychomotoriktherapie. Genauso wie das Klavierspiel, erinnern sich Marianne Karrer und Judith Sägesser. Die beiden ehemaligen Kommilitoninnen haben die Ausbildung zur Lehrerin abgeschlossen und einige Jahre als Lehrerinnen gearbeitet, bevor sie über Umwege und eher zufällig zur Psychomotoriktherapie kamen. «Ich wollte eine Berühmtheit werden», lacht Marianne Karrer und erzählt weiter von der schicksalhaften Begegnung: «und habe deshalb eine Tanztheaterausbildung gemacht. Beim Plakattieren für eine Aufführung begegnete ich zufällig einer Passantin und wir kamen ins Gespräch. Sie schlug mir die Psychomotoriktherapieausbildung vor – und kurz darauf machte ich die Aufnahmeprüfung im Neptunsaal mit dem knarrigen Holzboden. Ich wurde quasi von der Strasse weg engagiert – und blieb der PMT bis heute treu.»

Judith Sägesser erinnert sich an die Ausbildung in den Achtzigerjahren: «Die Theorie stand nicht im Zentrum. Die Selbstwahrnehmung war essenziell, das Erleben und Entwickeln – auch mit Kindern und interaktiv: Was ist angezeigt? Wir sammelten Erfahrungen für die Praxis. Viele Gastdozierende gaben zudem wichtige Impulse.»

Pascal Greter hat sein Bachelorstudium erst kürzlich abgeschlossen. Für ihn zeigten sich während der Ausbildung viele Widersprüche: «Während dem Studium lernte ich viele verschiedene Auffassungen von Psychomotoriktherapie kennen. Manche davon waren kompatibel, andere nicht. Zu Beginn war es verwirrend, aber mit der Zeit habe ich begriffen, dass dies genau das Besondere ist: Man findet im Lauf der Zeit seine eigene ganz individuelle Auffassung und Ausgestaltung der Psychomotoriktherapie.»

Die Erkenntnis, die Olivia Gasser-Haas bis heute begleitet, lässt sich wie folgt zusammenfassen: «Die Relevanz der Beziehung beschäftigt mich bis heute. Wie man einander begegnet, beispielsweise in der Therapie, legt den Grundstein für die zukünftigen Begegnungen.» Und für Pascal Greter ist dies die besondere Haltung, die man während der Ausbildung entwickelt: «Jeder Mensch ist gut. Er darf sich lieben und erleben und sich fühlen, wie er möchte. Das möchte ich den Kindern im Therapiesetting weitergeben.»

Die Begeisterung und die Liebe für den «Herzensberuf» konnte man bei allen vier Gesprächsgästen spüren. Für das Teilen der Eindrücke bedankte sich das Publikum sichtlich begeistert mit einem kräftigen Applaus.

Der Begegnungstag #50JahrePMT bot allen Anwesenden die Möglichkeit, sich auszutauschen, in Erinnerungen zu schwelgen, Filme zu schauen, persönlichen Erfahrungsberichten zu lauschen und sich lustvoll zu bewegen. Mit dem Photobooth und lustigen Gadgets konnte man sich auf einem Bild verewigen und ein Erinnerungsstück mit nach Hause nehmen. Den stimmungsvollen und emotionalen Tag, der hoffentlich allen Teilnehmer:innen lange in positiver Erinnerung bleiben wird, liess man bei einem Apéro riche und karibischen Klängen des Trios acuerDos+ ausklingen.

Die verschiedenfarbigen Ballone standen für fünf Dekaden Psychomotoriktherapieausbildung in der Deutschschweiz.

Talk. Das Jubiläumsjahr rundet die HfH mit einem zweiten Talk ab: «Wie wirksam ist Psychomotoriktherapie?». Diese Frage diskutieren Steff Aellig und Dominik Gyseler am 16. November 2022 in einem Online-Talk mit Arianne Macchi (Fachstellenleiterin Psychomotorik, Zürich), Judith Sägesser Wyss (Präsidentin Psychomotorik Schweiz und Dozentin, PH Bern) und Dennis Hövel (Leiter des Instituts für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung). Jetzt anmelden und mitdiskutieren. Zum Event

Top-Thema. Spannende Einblicke, wie die Psychomotoriktherapie den Weg an das Heilpädagogische Seminar (HPS) fand, lesen sie im Interview mit Suzanne Naville, welche die Ausbildung entscheidend geprägt hat. Den Nachbericht zum Talk vom Februar 2022 sowie weitere Reportagen zum Jubiläum finden Sie unter dem Top-Thema «50 Jahre PMT».

Der Begegnungstag 50 Jahre PMT wurde unterstützt von ig Spielgruppen Schweiz, Embru Möbel, Wesco und Schubi.

Autorin: Kristina Vilenica, MA, Hochschulkommunikation, HfH