Gebärdensprachen erwerben und lernen
Kategorie Institutsthema
Viele Menschen verwenden mehr als eine Sprache in ihrem Alltag. Einige Sprachen werden gesprochen, andere werden gebärdet. Eine Gebärdensprache kann wie eine gesprochene Sprache auch als Erst- oder als Zweitsprache erworben oder als Fremdsprache erlernt werden.
Gebärdensprachen werden in einer anderen Modalität verstanden und produziert als gesprochene Sprachen. Gebärdensprachen verwenden die Augen zur Wahrnehmung der Sprache und die Hände, Oberkörper, Kopf(-stellung), Wangen, Mimik und Mundbild zum Produzieren sprachlicher Nachrichten. Ein Grundprinzip der Gebärdensprachen ist, dass die manuellen Aktivitäten der Hände beispielsweise mit einer entsprechenden Mimik oder Kopfstellung zeitlich koordiniert werden müssen.
Erwerb von Gebärdensprachen
Bei Gebärdensprachen wird unterschieden zwischen einem uni- oder bimodalen Spracherwerb. Zum Beispiel durchläuft ein gehörloses Kind, das aus einer gehörlosen Familie stammt, in der zwei verschiedene Gebärdensprachen verwendet werden (beispielsweise Deutschschweizerische und Französische Gebärdensprache), einen unimodalen Spracherwerb, denn es erwirbt zwei Gebärdensprachen. Während ein hörendes Kind, das eine gehörlose Mutter und einen hörenden Vater hat, die mit dem Kind Gebärden- und Lautsprache verwenden, einen bimodalen Spracherwerb durchläuft, also Gebärden- und Lautsprache. Nur rund 5–10% aller gehörlosen Kinder erwerben eine Gebärdensprache von ihren gehörlosen Eltern.
Auch stellt sich die Frage, wie hörende Erwachsene eine Gebärdensprache als Zweitsprache (L2) lernen: Stellt der Modalitätsunterschied für hörende Erwachsene, die eine Gebärdensprache als «L2» lernen, eine grössere Herausforderung dar als wenn sie eine «L2» in der gleichen Modalität erwerben?
Wir wissen wenig über den Erwerb einer Gebärdensprache als Erstsprache, aber noch weniger wissen wir über das Lernen einer Gebärdensprache als Fremdsprache durch hörende Erwachsene. Die Forschung belegt jedoch, dass die andere Modalität der Gebärdensprachen eine Herausforderung darstellt.
Fachlehrplan DSGS
Zugang zu Gebärdensprache ist für gehörlose Kinder und Jugendliche eine wichtiger Faktor für die allgemeine Entwicklung und den schulischen Erfolg. Durch den Fachlehrplan der Deutschschweizerischen Gebärdensprache (DSGS) wurde zum ersten Mal in der Deutschschweiz eine wichtige Grundlage für die Umsetzung von systematischem Gebärdensprachunterricht in den Zentren für Gehör und Sprache gelegt. Der Fachlehrplan ist am Lehrplan 21 angelehnt. Ein Projekt zur Entwicklung von Unterrichtsmaterialien für den Fachlehrplan ist in Vorbereitung.
Möglichkeiten zum Gebärdensprachlernen
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für Erwachsene die DSGS zu lernen:
- die Selbstlernplattform Signwise des Schweizerischen Gehörlosenbundes (SGB-FSS)
- durch Präsenzkurse der Migros-Klubschule oder in Kursen von privaten Anbieter:innen
Die HfH bietet keine extra DSGS-Kurse für Interessierte wie andere Anbieter an, aber im Bachelor Gebärdensprachdolmetschen spielt die Vermittlung von DSGS-Kompetenz eine zentrale Rolle.
Für hörende Familien mit gehörlosen Kindern und ihr nahes Umfeld gibt es spezielle Kurse. Diese sogenannten Heimkurse werden im Kanton Zürich über das Zentrum für Gehör und Sprache in Zürich-Wollishofen angeboten.
Gebärdensprachlehren
Qualifizierte Gebärdensprachlehrer:innen unterrichten in den unterschiedlichsten Kontexten die DSGS und geben Einblick in die Kultur gehörloser Menschen. Ausgebildet werden sie an der HfH im Lehrgang Gebärdensprachlehrer:in. Eine wichtiges, in DSGS zugängliches Nachschlagewerk über die DSGS-Grammatik für Gebärdensprachlehrer:innen, ist das digitale DSGS-Handbuch.
Projekte
- SMILE II: Automatische Gebärdenspracherkennung auf Satzebene
- Inclusive information and communication technologies (IICT)