Wer mentalisiert, versteht den anderen besser
Antrittsvorlesung
Verhaltensauffälligkeiten resultieren oft aus Beziehungsproblemen zwischen Lehrperson und Kind. Ein neues Konzept kann helfen.
«Ich gseh öppis wo du nöd gsehsch – Mentalisieren als innovativer Zugang zu Verhaltensproblemen» – das war der Titel der Antrittsvorlesung von Pierre-Carl Link, Professor für Erziehung und Bildung im Feld sozio-emotionaler und psychomotorischer Entwicklung. Er ist programmatisch, weshalb man ihn Schritt für Schritt analysieren kann. «Das Ich und das Du sind Lehrpersonen und Kinder», erklärt Link und ergänzt: «Beide müssen mentalisieren.» Heisst: Kinder und Jugendliche mit Verhaltensproblemen handeln manchmal aus Bedürfnissen, Zwängen oder Sehnsüchten heraus, welche die Lehrpersonen so nicht wahrnehmen. Umgekehrt haben Lehrpersonen meistens eine Vorstellung davon, worauf sie mit ihren Massnahmen abzielen, ohne dass den Kindern diese Absichten bewusst wären.
Brücke schlagen. Hier kommt das Mentalisierungskonzept ins Spiel und damit die Fähigkeit, die innere psychische Welt bei sich und anderen wahrzunehmen und verstehen zu können. «Das Mentalisieren bildet die Brücke zwischen Kindern und Lehrpersonen», sagt Pierre-Carl Link. Mit dieser Brücke werde die Beziehung zwischen Lehrperson und Kind auf verschiedenen Ebenen verbessert: Die Lehrperson achtet auch in Konfliktsituationen bewusst darauf, nicht aus der Beziehung zu gehen und die eigene Belastung zu steuern. Das Kind kann sich Bildungserfahrungen leichter öffnen und baut Vertrauen zu einem verlässlichen Umfeld auf.
Basis für Erforschung. Bleibt die Frage: Was ist innovativ? Gar nicht so sehr der Inhalt, sagt Pierre-Carl Link: «Das Konzept des Mentalisierens beschreibt etwas, das viele Lehrpersonen ohnehin bereits tun, aber manchmal im Stress vergessen.» Neu ist hingegen, dass nun systematisch untersucht werden kann, wie sich diese Handlungen genau in der Praxis auswirken. «Das Konzept bringt Fleisch an den Knochen», sagt Pierre-Carl Link. Wie man sich das Mentalisieren im schulischen Alltag konkret vorstellen kann und welche Ziele er mit der Professorenstelle verfolgt, führt er im folgenden Video-Interview aus.
Informationen zum Video. Das Interview wird geführt von Dr. Steff Aellig, Wissenschaftskommunikation HfH. Der Gesprächsgast ist Prof. Pierre-Carl Link, Professorenstelle HfH.
Die Veranstaltung fand am 17. Mai 2022 an der HfH statt und wurde online übertragen. Insgesamt nahmen über 180 Personen teil. Prof. Pierre-Carl Link ist Professor am Institut für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung.
Autoren: Dominik Gyseler, Dr. und Steff Aellig, Dr., HfH-Wissenschaftskommunikation
Weiterführende Informationen
- Pilotprojekt mit dem Ziel, die HfH international zum Thema «Mentalisierende Pädagogik» zu vernetzen
- Bericht zu einem Netzwerk-Treffen in London
- Bericht zum Abschlusstreffen des Erasmus+ Vorgänger-Projektes CurrMented in Mainz
- Bericht zum MOVETIA-Projekt MentEd.ch