Evidenz in der Psychomotoriktherapie vorantreiben

Kategorie News

An der Veranstaltung «Mit und für die Praxis» erhielten Teilnehmende einen Einblick in die Praxisprojekte der Masterstudierenden sowie allgemein in den Forschungsbedarf der Psychomotoriktherapie.

Kontakt

Olivia Gasser-Haas Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Lecturer / Leiterin Master Psychomotoriktherapie

Im Herbstsemester startete unter der Leitung von Dr. Olivia Gasser-Haas erstmals der Master Psychomotoriktherapie an der HfH. Die neun Studierenden durchlaufen bis zu ihrem Abschluss mindestens vier Semester, in welchen die Praxis im Vordergrund steht, mit dem Ziel, diese evidenzbasiert auszulegen und die daraus folgenden Erkenntnisse in die Praxis zurückzuführen.

Die Veranstaltung «Mit und für die Praxis» am 24. November 2023 gab den rund 30 Teilnehmer:innen einerseits einen Überblick über den neuen Studiengang Master Psychomotoriktherapie mit spannendem Einblick in verschiedene Praxisprojekte der Studierenden und andererseits ermöglichte der Event gemeinsam mit geladenen Expert:innen aus der Praxis einen Ausblick in den Forschungsbedarf der Psychomotoriktherapie. «Es geht um externe Evidenz, aber auch darum, die interne Evidenz zu stärken und auszubauen», betonte die Leiterin des Masterstudiengangs an die Teilnehmer:innen gerichtet.

Junger Master

Olivia Gasser-Haas gab im ersten Teil der Veranstaltung einen fundierten Überblick über den Aufbau und die Anforderungen des jungen Masters Psychomotoriktherapie. Zur vorgesehenen Mindeststudiendauer der vier Semester des Masterstudiengangs empfiehlt die HfH eine 20-prozentige Arbeitstätigkeit. «Viele unserer Studierenden arbeiten aber mit einem höheren Pensum», sagte Gasser-Haas. Entsprechend könne sich das Studium verlängern, allerdings sieht die HfH eine maximale Studiendauer von 12 Semestern vor.

Während dem Masterstudiengang werden von den Studierenden nach einer Einführung in die evidenzbasierte Praxis vier eigene Projekte erwartet: Im ersten Semester erarbeiten sie eine kontrollierte Einzelfallstudie in der Psychomotoriktherapie, worauf im zweiten Semester ein Praxisprojekt zum Umfeld des gewählten Einzelfalls folgt. Im zweiten Jahr folgen ein Interventions- und ein Präventionsprojekt im Feld der Psychomotoriktherapie. «Ziel der Projekte ist der Kompetenzerwerb in definierten Bereichen wie etwa die Anwendung von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden sowie die datenbasierte Argumentationsführung und Entscheidungsfindung beispielsweise hinsichtlich der durchgeführten Intervention oder des Verfahrens», erklärte Gasser-Haas. Im Anschluss an die Praxisprojekte ist die kumulative Masterarbeit vorgesehen.

Einzelfallstudien

Anhand von grossen – auf Stellwände gepinnten – Postern präsentierten die neun Studierenden ihre Praxisprojekte aus dem laufenden ersten Semester. Das Praxisprojekt 1 befasst sich mit einem Einzelfall – also ganz konkret mit einem Kind in der Psychomotoriktherapie. Das Praxisprojekt 2 widmet sich dem familiären und schulischen Kontext des gewählten Kindes. Die Studierende Verena arbeitet beispielsweise an ihrer Therapiestelle einmal wöchentlich mit einem 7-jährigen Mädchen, das bereits seit dem Kindergarten die Psychomotoriktherapie bei ihr besucht. Die Primarschülerin meidet grobmotorische Tätigkeiten, zeigt internalisierende Verhaltensweisen und klagt über somatische Beschwerden wie Bauch- und Kopfschmerzen, jeweils am Morgen vor Schulbeginn. Verenas Fragestellung sucht nach Ansätzen, wodurch die Verhaltenshemmung und die Vermeidung gewisser Tätigkeiten erklärt werden können und hat zwischenzeitlich diverse Tests mit dem Kind durchgeführt, sowie auch bereits die Mutter des Mädchens involviert. Diese wünscht sich eine starke und mutige Tochter und kooperiert mit Verena in der Hoffnung, dass ihr Kind künftig unbeschwerter im Schulkontext und im privaten Umfeld partizipieren kann.

Der Studierende Jonathan arbeitet an seiner Therapiestelle seit August intensiv mit einem siebenjährigen Knaben, bei dem eine Angstthematik im Vordergrund steht. Der Primarschüler kann aufgrund seines ADHS nicht gut im geregelten Schulalltag funktionieren, zudem zeigt er perfektionistische Tendenzen und entschuldigt sich häufig für seine Fehler oder sein Verhalten. Auffällig sei sein ausgeprägtes Stolz- und Schamgefühl, so Jonathan. Bereits die beiden älteren Brüder des Knaben besuchten die Psychomotoriktherapie. Er selbst hat verschiedene biologische Risikofaktoren, die in der Praxisstudie zu berücksichtigen sind.

Praxisorientierung

Für Olivia Gasser-Haas steht klar die Frage im Vordergrund, was die Praxis brauche. Mit dem jährlich im November stattfindenden Austausch «Mit und für die Praxis» möchte sie denn auch die Brücke zwischen den Studierenden, der HfH als Ausbildungsstätte und den Expert:innen in der Praxis schlagen. «Wir orientierten uns in der Konzeption des Masters stark am Bedarf der Praxis», betonte Gasser-Haas, «und sehen die Masterstudierenden als kompetente Handelnde.» Im Austausch mit Expert:innen diskutierten die Studierenden sowie Dozierenden der HfH im zweiten Teil der Veranstaltung den konkreten Bedarf an Forschung für die Praxis.

Dabei sprachen sie einerseits allgemeine Herausforderungen im Feld der Psychomotoriktherapie an, wie zum Beispiel die Tatsache, dass der diagnostische Prozess in der Psychomotoriktherapie bislang in der Praxis wenig Verlaufskontrolle vorsieht – und was die Folgen davon sind. Andererseits wurden auch Wünsche für die Zukunft geäussert, wie die Diagnostik und Forschung im sozial-emotionalen Bereich der Psychomotoriktherapie voranzutreiben sowie Indikationen für psychomotorische Prävention, Therapie oder Beratung detailliert zu definieren. Als besonders wichtig bezeichneten die Diskussionsteilnehmer:innen zudem die multiprofessionelle Zusammenarbeit mit den involvierten Fachpersonen. Gerade in der Interdisziplinarität sieht auch Olivia Gasser-Haas noch viel Potenzial für die Zukunft.

Autorin: Natalie Avanzino

Anmeldefrist

Bis zum 15. Januar 2024 läuft die Anmeldung für den im Sommer 2024 startenden nächsten Masterstudiengang Psychomotoriktherapie an der HfH. Weitere Informationen

Der nächste Event «Mit und für die Praxis» des Masterstudiengangs Psychomotoriktherapie findet am Freitag, 22. November 2024 von 13.30 bis 16.00 Uhr an der HfH statt.