Referat 1: «Inklusive Berufsbildung – wo stehen wir?» Claudia Hofmann, Dr. phil., HfH und Claudia Schellenberg, Prof. Dr., HfH
Inklusive Berufsbildung – wo stehen wir?
Der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt ist für Jugendliche mit besonderen Förderbedürfnissen herausfordernd: Was erwartet sie dort, was erwartet man von ihnen? Lernende müssen sich in einem neuen sozialen Umfeld zurechtfinden, im betrieblichen Umfeld gelten andere Regeln als in der Schule, dafür haben die jungen Erwachsenen auch mehr Selbstverantwortung und Freiheiten. Die Forschung zeigt, dass die meisten mit den neuen Anforderungen gut zurechtkommen, andere brauchen etwas länger, bei manchen gelingt es nicht und sie brechen die Ausbildung ab.
Welche Erfahrungen machen auf der anderen Seite Betriebe bei der Integration von Jugendlichen mit Beeinträchtigungen? Die betrieblichen Berufsbildenden spielen ganz klar eine Schlüsselrolle für einen gelungenen Einstieg. Wie sehen sie ihre Rolle selbst? Wir haben eine breitangelegte Online-Umfrage bei Organisationen der Arbeitswelt/Branchenverbänden zu diesen Fragen durchgeführt. Diese sind massgeblich daran beteiligt, wie die Ausbildungsgefässe gestaltet werden und sind auch “am Puls” ihrer Betriebe. Wie sehen sie deren Unterstützungsbedarf bei der Integration von Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung?
In unserem Beitrag präsentieren wir erste Ergebnisse aus der Online-Befragung mit Blick auf die zentralen Herausforderungen, aber auch die Chancen und die Frage, was verschiedene Akteure dazu beitragen können, dass Lernende ihren Weg in die Arbeitswelt finden.
Claudia Hofmann, Dr. phil., Senior Researcher Institut für Lernen unter erschwerten Bedingungen
Claudia Schellenberg, Prof. Dr., Professorin für die berufliche Inklusion bei Jugendlichen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen, Institut für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische EntwicklungsförderungReferat 2: «Was benötigen Betriebe, um Lernende mit Beeinträchtigungen optimal zu begleiten?», Vera Class, Berufsbildungsexpertin
Was benötigen Betriebe, um Lernende mit Beeinträchtigungen optimal zu begleiten?
Vera Class geht aufgrund gesammelter Rückmeldungen sowie ihrer langjährigen praktischen Erfahrung in der betrieblichen Bildung darauf ein, welche Bedingungen für Betriebe gegeben sein müssen, damit eine integrative und erfolgreiche Berufsbildung für Lernende mit Förderbedarf gelingen kann resp. welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Lernende mit Förderbedarf eine Lehrstelle erhalten.
Vera Class, Berufsbildungsexpertin und Geschäftsleiterin heartwork GmbH, Nationaler Lead der Fachgruppe wbp – «Wir Berufs- und Praxisbildner:innen» des Kaufmännischen Verbands
Im Anschluss an das Referat findet ein moderiertes Gespräch mit Vera Class und Vertretenden aus der Wirtschaft statt.
Teilnehmende:
Monika Eicher, Leiterin Nachwuchsentwicklung Raiffeisen Gruppe
Patricia Summer Rossi, Ausbildungsverantwortliche für KV und IT Eawag, Wasserforschungsinstitut der ETH
Markus Wyss, Rektor BSFH Berufsfachschule für Lernende mit Hör- und Kommunikationsbehinderung Zürich
Corina Meierhofer, Berufsbildnerin On AGReferat 3: «Perspektive Sek 1: Berufliche Orientierung von Jugendlichen in der Volksschule», Daniel Gebauer, Mitglied der Geschäftsleitung LCH
Berufliche Orientierung von Jugendlichen in der Volksschule
Die Berufliche Orientierung und die Festlegung auf eine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit stellt für alle involvierten Akteure eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Jugendliche mit Beeinträchtigungen und besonderem Unterstützungsbedarf sind besonders gefordert. Daniel Gebauer zeigt in seiner Keynote auf, mit welchen Herausforderungen die Volksschule konfrontiert ist und mit welchen Massnahmen sie dazu beiträgt, damit der Übergang in die Berufsbildung, resp. in die Sekundarstufe II möglichst harmonisch verläuft. Dabei wird auch aufgezeigt, dass dieser Übergang nur als Verbundaufgabe gelingen kann. Die Keynote soll dazu anregen, dass sich die Partner dieser Verbundaufgabe (insbesondere Lehrbetriebe und weiterführende Schulen) zu gegenseitigen Erwartungen und Gelingensbedingungen austauschen können.
Daniel Gebauer, Mitglied der Geschäftsleitung LCH-Verband
Referat 4: «Wie die Vernetzung zwischen Schule und Betrieben gelingt», Thomas Ihde, Dr. med., Chefarzt Psychiatrie Spitäler fmi AG, Berner Oberland, Präsident Pro Mente Sana
Wie die Vernetzung zwischen Schule und Betrieben gelingt
Berufliche Möglichkeiten sind für Menschen mit einer Beeinträchtigung in der Schweiz immer noch recht eingeschränkt. Der Anteil von Menschen mit Beeinträchtigungen, die im ersten Arbeitsmarkt tätig sind und/oder die ihre berufliche Tätigkeit als erfüllend erachten, ist wesentlich tiefer, als dies eigentlich möglich wäre. Thomas Ihde gibt als Chefarzt einer psychiatrischen Institution, als Gutachter der IV und Präsident von Pro Mente Sana einen Überblick zum Thema. Er berichtet aber vor allem über seine gelebte Erfahrung zum Thema als Vater eines Sohnes mit einer Beeinträchtigung, der im britischen System von innovativen und gesetzlich verankerten Ansätzen in der Förderung von Menschen im Autismus-Spektrum profitieren konnte.
Thomas Ihde, Dr. med., Chefarzt Psychiatrie Spitäler fmi AG, Berner Oberland, Präsident Pro Mente Sana, Vater eines Sohnes mit einer Beeinträchtigung
Workshops 2 und 4
Workshop 2: Rolle der Schulischen Heilpädagog:innen
In diesem Workshop wird die Rolle der schulischen Heilpädagog:innen beim Übergang Schule-Beruf beleuchtet:
Beitrag 1: Einbezug der Lehrbetriebe während der Sekundarschulzeit
Im Jahr 2024 kam es im Kanton Zürich laut einer IV-Berufsberaterin des SVA zu gerade 15 Zusagen von PrA-Ausbildungsplätzen im ersten Arbeitsmarkt, obschon die Eingliederung von Lernenden mit besonderem Förderbedarf wichtig und grundsätzlich gut möglich ist.
Gleichzeitig bricht der Kontakt zwischen Schule und Lehrbetrieben nach Vertragsabschluss bis zum Beginn der Lehre häufig ab.
In diesem Workshop werden Möglichkeiten gezeigt, wie Lehrbetriebe bereits während der Sekundarschulzeit eingebunden werden können. Ausserdem wird besprochen, wie Betriebe im ersten Arbeitsmarkt für das Anbieten von PrA-Ausbildungsplätzen gewonnen werden können.
Sabrina Buchli, Advanced Lecturer, HfH und SHP-Sekundarstufe
Beitrag 2: Das tipiti Konzept der Nachschulischen Betreuung
Insbesondere im sonderpädagogischen Setting ist bekannt, dass die grössten Stolpersteine auf dem Weg zur Berufsreife in den Übergängen zu finden sind. Eine Lehrstelle zu finden, mag für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf schwierig sein, noch viel schwieriger ist es aber, sie zu behalten.
Die Oberstufen in den tipiti Lernhäusern der Kantone SG und AR setzen deshalb auf ihr ganzheitliches Konzept der Beruflichen Orientierung. Wesentlicher Teil dieses Konzepts ist die schulische und sozialpädagogische Betreuung unserer ehemaligen Lernenden bis zum Abschluss der Berufslehre und den Beginn der Erwerbstätigkeit.
In diesem Workshop wird das Konzept vorgestellt und ebenso die Erfahrungen diskutiert, die wir in den vergangenen 18 Jahren mit diesem Angebot gemacht haben.
Stephan Herzer, Sonderpädagoge, Schulleiter EDK, Bereichsleitung tipiti Förderangebote
Workshop 4: Übergang in die Berufswelt: Herausforderungen und Chancen für Jugendliche mit Behinderungen
Beim Übergang von der Schule in die Berufswelt sind Jugendliche mit Behinderungen häufig mit Hürden konfrontiert. Dieser Workshop bietet Einblicke in die Herausforderungen und Erfolge beim Übertritt in die Berufswelt und zeigt auf, welche Rahmenbedingungen gegeben sein müssen, damit eine Inklusion in den ersten Arbeitsmarkt gelingt.
Wir stellen verschiedene Angebote von EnableMe vor, die Jugendlichen mit Behinderungen Orientierung und Perspektiven für den Einstieg ins Berufsleben bieten. Ein Jugendlicher aus unserem Netzwerk wird vor Ort von seinen persönlichen Erfahrungen berichten. Zudem wird die Perspektive eines Lehrbetriebs durch ein aufgezeichnetes Interview eingebracht, das Erfahrungen und Handlungsempfehlungen präsentiert, um zu zeigen, wie Inklusion im Arbeitsalltag erfolgreich umgesetzt werden kann.
Michel Lanker, Schulischer Heilpädagoge, Projektmitarbeiter bei EnableMe
Workshops 6 und 7, Online
Workshop 6: «ASS und ADHS»
In diesem Workshop werden Besonderheiten von Lernenden mit einer Beeinträchtigung im Bereich Autismusspektrum (ASS) und Aufmerksamkeit (ADHS) betrachtet und Schlussfolgerungen für den Umgang in Schule und Lehrbetrieb gezogen.
Beitrag 1: Berufliche Integration und Neurodiversität
Das Konzept der Neurodiversität beschreibt die Vielfalt an Formen menschlicher Wahrnehmung und Denkprozesse, die uns im Miteinander begegnen.
Als «neurotypisch» werden Denkprozesse benannt, die uns von einer Mehrheit in der Gesellschaft vertraut sind, als «neurodivergent» weniger vertraute Denkprozesse, wie sie beispielsweise von Personen im Autismus-Spektrum beschrieben werden.
Im Prozess der beruflichen Integration, beginnend bei der ersten Berufsorientierung, kann das Wissen über die individuellen Wahrnehmungen und Denkprozesse von neurodivergenten Lernenden eine wichtige Hilfe bieten. Ein wechselseitiges Erkennen und Verstehen von spezifischen Bedürfnissen und vorliegenden Erwartungen kann einen zentralen Beitrag sowohl zu gelingenden sozialen Interaktionen als auch zu einem erfolgreichen Ausbildungsprozess leisten.
Dieses Fachreferat wirft einen Blick auf die spezifische Situation von neurodivergenten Lernenden, insbesondere im Autismus-Spektrum, und formuliert für den schulischen Kontext und den Lehrbetrieb relevante Empfehlungen.
Andreas Eckert, Prof. Dr., Professor für Kommunikation und Partizipation bei Autismus, Institut für Sprache und Kommunikation, HfH
Beitrag 2: Berufliche Integration und ADHS: Ressourcen und Herausforderungen
Das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) prägt die Wahrnehmung, die Denkprozesse und die Interaktion vieler Menschen im privaten, schulischen und beruflichen Kontext. Die Vielfalt der Ausprägungen dieser Variante der Norm erfordert eine gezielte Sensibilisierung, um ein besseres Verständnis für die gelebte Wirklichkeit von Menschen mit ADHS zu erlangen. Modelle wie das Filter-Modell nach Heiner Lachenmeier helfen dabei, die spezifischen Herausforderungen von Menschen mit ADHS zu erkennen und gezielt zu adressieren.
Ein besonderer Fokus soll dabei auf die Kommunikation auf Augenhöhe gerichtet sein. Das Referat beleuchtet, wie Ausbildungsbetriebe, Schulen und (Heil-) Pädagogen Jugendliche und Adoleszente unterstützen können: von der Begleitung bei der Suche nach einer Schnupperstelle bis hin zur langfristigen Integration im Team. Es werden sowohl Chancen als auch Herausforderungen für das Team und die Betroffenen kurz thematisiert, als auch Ideen zur besseren (Selbst-)Strukturierung und erfolgreichen Zusammenarbeit im Arbeitsbereich geäussert.
Ziel ist es, Arbeitgeber und Lehrbetriebe für die Stärken und Potenziale von Mitarbeitenden mit ADHS zu sensibilisieren und Handlungsmöglichkeiten für eine inklusive und ressourcenorientierte Begleitung aufzuzeigen.
Manuel Zeberli, lic. phil., eidg. anerkannter Psychotherapeut, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, Affoltern am Albis
Workshop 7: «Berufsfachschulen»
Der Workshop zeigt verschiedene Unterstützungsgefässe für Lernenden an Berufsfachschulen auf und geht auch der Bedeutung der Kooperation zwischen Volksschule-Berufsbildung nach.
Beitrag 1: Das Kompetenzpaket für einen gelungenen Start in die EBA-Ausbildung
Lernende, welche in Basel-Stadt eine EBA-Ausbildung machen, erhalten durch eine Lehrperson fachkundige individuelle Begleitung während der Berufsausbildung. Mit dem Eintritt in die SEK II gehen erfahrungsgemäss wichtige Informationen verloren, welche für die Begleitung der Lernenden in ihrer Ausbildung förderlich wären. In diesem Workshop geht es darum, mögliche Vorgehensweisen gemeinsam zu entdecken, um dem Informationsverlust, der durch den Schulstufenwechsel entsteht, entgegenzuwirken.
Nach einem Einblick in das Begleitungskonzept der fiB-Lehrpersonen in Basel setzen wir uns mit zwei Fragestellungen auseinander, mit welchen wichtige Kompetenzen für eine Ausbildung definiert werden und wie der Informationsfluss von einer Schulstufe zur nächsten verbessert werden kann.
Zum Schluss leiten wir aus den erarbeiteten Ergebnissen konkrete Handlungsideen ab, welche Sie für die Vorbereitung zukünftiger Lernende nutzen können.
Annina Klose, dipl. Sozialpädagogin FH, dipl. Berufsfachschullehrerin ABU und fiB, Co-Leitung Lernberatung, Allgemeine Gewerbeschule Basel
Beitrag 2: Berufsfachschule, Lehrbetrieb und ÜK - mit Lernortkooperation zum Ausbildungserfolg
Unter dem Begriff Lernortkooperation wird in der dualen Berufsbildung die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten Lehrbetrieb, Überbetriebliche Kurse und Berufsfachschule verstanden. Lernortkooperation hat insbesondere zum Ziel, mit lernortübergreifenden Projekten die Ausbildungsqualität zu sichern und Handlungskompetenzen aufeinander abgestimmt aufzubauen.
An der BSFH Berufsfachschule erfährt der Kooperationsbegriff eine Erweiterung und Aufwertung. Im Verbundsystem der BSFH wird die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten durch Massnahmen und Instrumente ergänzt, welche den Übergang in die Berufswelt sowie die Ausbildung von Lernenden mit Beeinträchtigung unterstützen und Lernende und Beteiligte im Umgang mit den Handicaps stärken.
Im Workshop werden Massnahmen und Instrumente vorgestellt und diskutiert. Eine erweiterte Kooperation zwischen den Lernorten wird empfohlen.Markus Wyss, Rektor BSFH Berufsfachschule für Lernende mit Hör- und Kommunikationsbehinderung Zürich
Detailed information
Lehrbetrieb und Schule im Dialog: So gelingt's!
Category Weiterbildung